Das wiedervereinte Deutschland seit 1990


Verblüfft – Vereinigt – Verstritten

Unser Land nach der Friedlichen Revolution

Unter den Bedingungen einer Politik von „Perestroika“ (Umgestaltung) und „Glasnost“ (Offenheit, Transparenz), die ab 1986 von Michail Gorbatschow für die Sowjetunion begonnen worden war, veränderten sich schleichend das Staatengefüge Mittel- und Osteuropas, die Machtapparate der dort Herrschenden ebenso wie die Atmosphäre innerhalb der realsozialistischen Gesellschaften.

Auch die DDR als System erodierte allmählich, zumal die Legitimationsdefizite der Politik mit massiven Verschlechterungen der wirtschaftlichen Lage einhergingen. Die „bürgerbewegte“ Opposition aus Künstlern, Intellektuellen und den Kirchen „Jungen Gemeinden“ blieb zwar weiterhin eine Minderheit, doch in deren Protest stimmten immer mehr Bürger ein.

Als die Staatsführung den 40. Geburtstag „ihrer Republik“ feierlich beging, trugen auf eben diesen Straßen andere die DDR langsam, doch unüberhörbar, zu Grabe.

Viele, die dem alten Staat keine Träne nachweinten, wünschten sich jedoch einen „Sozialismus mit menschlichem Antlitz“, einen „Dritten Weg“ zwischen westlichem Kapitalismus und östlichem Realsozialismus. Doch die Wirklichkeit überholte mühelos die Visionen und Konzepte eines „neuen Lebens“ in einer anderen DDR.

Die Friedliche Revolution gelang, doch die damit eingeläutete „Wende“ wurde zu einer Form der Wiedervereinigung beider deutscher Staaten, für die manche Ostdeutsche bis heute nur die Worte „Beitritt“, „Anschluss“ oder gar „Kolonisierung“ verwenden.


Die gewonnene Freiheit im „Osten“ ist ebenso wenig kleinzureden wie der dort angewachsene Wohlstand, doch der Begriff „Transformation“ für die Entwicklungen der ersten zehn Jahre der neuen „BRD-Ost“ verharmlost das Tempo, die Rasanz und die strukturelle Gewalt der den „neuen Bundesbürgern“ abverlangten Anpassungsprozesse.

Exportiert hatte nämlich die „alte BRD“ nicht den sprichwörtlichen, sozialstaatlich abgefederten „Rheinischen Kapitalismus“ der 1960er und 1970er Jahre, sondern eine globalisierte Ökonomie mit dereguliertem Marktgetriebe und finanzpolitischer Risiko-„Kultur“.

Sozusagen über Nacht wurde fast die gesamte Industrie- und Erwerbslandschaft der DDR „abgewickelt“. Der Name der damit betrauten staatlichen Institution – „Treuhand“ – klang nicht nur in östlichen Ohren zynisch.

Mit den Betrieben verschwanden aber auch, mit wenigen Ausnahmen, deren „Kulturhäuser“ – das „Kollektiv“ im eigenen Betrieb löste sich ebenso schnell auf, wie sich das Betriebsklima änderte. Entheimatung und Vertrauensverlust (in die Eliten von Politik und Wirtschaft) wurden zum Kollektivschicksal der „angeschlossenen“ Gesellschaft in den „neuen Bundesländern“.

Doch der „Schnee von Gestern“ ist bisweilen die „Sintflut von heute“ (Daniela Dahn) – die Vergangenheit von Vereinigung und Transformation, der fundamentale Wandel in allen Lebensbereichen „östlich der Elbe“ ist noch nicht einmal vergangen, er dauert an und wird die Zukunft unseres gesamten Landes mit prägen.

Von all jenen Prozessen, Differenzen, Distanzen oder gar innergesellschaftlichen Verfeindungen aber ist auch die neu-bundesdeutsche Erinnerungskultur berührt und hat dem folglich Rechnung zu tragen – auch in der Arbeit des Vereins Denk Mal Fort.