Rechtsterrorismus gegen die Demokratie – die Ermordung Walther Rathenaus


Gedenkveranstaltung in der Jüdischen Gemeinde zu Dresden am 24. Juni 2022


Das „Paradoxeste der Paradoxe“ hat man Walther Rathenau genannt. Eigentlich wollte der Sohn des AEG-Gründers Gardeoffizier werden – sein „Judentum“ aber verstellte ihm diesen Weg. Als Unternehmer erfolgreich, organisierte er ab 1914 die deutsche Kriegswirtschaft, deren Wandel zur „Friedenswirtschaft“ er ebenfalls prägte. 1921 als „Minister für Wiederaufbau“ tätig, wurde er im Januar 1922 Reichsaußenminister. Als junger Mann kaisertreu, begrüßte er dennoch nicht den Krieg, kritisierte jedoch den Versailler Vertrag und stellte sich nach 1918 dennoch ohne Vorbehalte in den Dienst der Weimarer Republik.

Als „Verzichtspolitik“ und „Jude“ von rechts geschmäht, genoss er seit langem hohes Ansehen als Schriftsteller und Publizist in der gebildeten deutschen Gesellschaft, die er mit intellektuell anspruchsvollen Publikationen über die „Risiken und Nebenwirkungen“ der industriellen Moderne aufzuklären versuchte.

Walther Rathenau | Bild: United States Library , ID ggbain. 20796

Am 24. Juni 1922 wurde Rathenau auf offener Straße erschossen. Kein anderes Ereignis hat die Republik von Weimar stärker erschüttert als die Serie von Anschlägen von 1921/1922, die gegen Rathenau, den früheren Reichsfinanzminister Matthias Erzberger, den ersten deutschen Ministerpräsidenten Philipp Scheidemann und schließlich auch gegen den Publizisten Maximilian Harden verübt wurden. Diese Attentate sollten der geheim gehaltene Auftakt zu einer antidemokratischen „Gegenrevolution“ werden; Spinne im rechten Netzwerk war die „Organisation Consul“.

Die Täter

Rathenaus Attentäter waren Kriegsteilnehmer, nach 1918 hochaktiv im rechtsradikalen Organisationsspektrum: in diversen Freikorps, im „Oberschlesischen Selbstschutz“, der „Brigade Ehrhardt, dem „Bund Oberland“ und dem „Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbund“. Erwin Kern war der Sohn eines Verwaltungsgerichtsdirektors, Hermann Fischer Spross des Dresdner Kunstprofessors Bruno Fischer, Ernst Werner und Hans-Gerd Techow Söhne eines Berliner Magistratsbeamten, Ernst von Salomons Vater war Polizeibeamter.

Somit sind die Biografien der Hauptattentäter ein Beispiel des „Extremismus der Mitte“, den wir heute, weniger blutig, ebenfalls wieder kennen. Dass die Weimarer Justiz in den verschworenen Terroristen ausschließlich „Einzeltäter“ erkannte, verweist auf den „Sympathisanten“-Sumpf innerhalb von Justiz, Polizei und Verwaltung. Unter anderem an dieser informellen Macht zerbrach schließlich die Republik von Weimar. Um Rathenaus Mörder entstand ab 1924 ein Kult in der „rechten Szene“, den nach 1933 die Nationalsozialisten weiter pflegten und der auch heute noch Anhänger hat.

An all dies war am 24. Juni 2022 zu erinnern… damit uns bewusst bleibt, wie kurz manchmal der Weg vom Vorurteil zur Gewalt ist.

Die Veranstaltung fand in Zusammenarbeit mit der Landeshauptstadt Dresden, der Jüdischen Gemeinde zu Dresden und mit Unterstützung des Weimarer Republik e.V. statt.