Dresden 13. Februar 1945 – Eine Kulturstadt und ihr Datum


Ereignis und Erinnerung eines lokalen Traumas am Kriegsende


Im Gedenkkalender der Landeshauptstadt Sachsens wie der einstigen Bezirkshauptstadt gehört der 13. Februar zu den wichtigsten Anlässen, sich der Vergangenheit Dresdens angesichts der jeweiligen Gegenwart mit Blick auf eine Zukunft zu erinnern.

Abgesehen von den jährlichen Gedenkfeiern auf dem Neumarkt vor den Ruinen der Frauenkirche bzw. am wiedererstandenen Kirchenbau und einer Menschenkette durch die innere Altstadt, war – bereits zu DDR-Zeiten – der Dresdner Heidefriedhof der wichtigste Ort eines Gedenk- und Trauerrituals, zu dem sich Überlebende des Krieges, Teile der städtischen Elite und einzelne Bürger zusammenfanden. Die offizielle Gedenkpraxis aber erstarrte allmählich, wurde zur „Erinnerungsroutine“ und bot Kritikern bzw. Befürwortern der überkommenen Gedenkformen allzu einfach eine Bühne für ganz Anderes.

Im Jahre 2016 beschloss die Stadtverwaltung, eine eigene offizielle Feier auf dem Heidefriedhof nicht mehr durchzuführen – dies bot einzelnen Vereinen und Initiativen die Möglichkeit, den Ort mit eigenen Aktivitäten selbst „zu bespielen“ oder Formen dezentralen Gedenkens an anderen Orten der Stadt stark zu machen. Letzteres sorgte in besonderer Weise dafür, den Blick auf das historische Ereignis über die Bombennacht und die Zerstörung hinaus zu weiten und sozusagen „die ganze Stadt“ Dresden als Akteur wie als Bühne zwischen 1933 und 1945 in den Blick zu bekommen.

Bürgerschaftliche Vereine, wie unser Verein „Denk Mal Fort!“ oder „Memorare Pacem“, legten dabei in den letzten Jahren ihr Augenmerk auch auf andere Friedhöfe der Stadt, auf denen nicht nur Luftkriegstote, sondern oftmals auch Opfer der NS-Verfolgung, Zwangsarbeiter oder in den letzten Wochen des Krieges nach Dresden Geflüchtete bestattet sind. Auch dieser Menschen und ihres Schicksals zu gedenken, gehört inzwischen zum Selbstverständnis einer erneuerten der Dresdner Erinnerungskultur, die das Narrativ der Deutschen als „Opfer“ hinter sich lässt, andere Opfergruppen in den Blick nimmt – und auch die Verantwortlichen und Täter von damals nicht vergisst.


Historische Hintergründe

Die Realität des 13. Februar 1945 und der folgenden Tage wurde sofort – noch von den Nationalsozialisten – propagandistisch genutzt (“anglo-amerikanischer Bombenterror“) und legendenhaft verbrämt. Der Schock für Dresden und dessen Bewohner, die tausenden Toten der Angriffe und die innerstädtische Trümmerwüste (alsbald in ikonischen Bildern festgehalten) dienten dem NS-Regime dazu, von den eigenen Untaten abzulenken.

Nach Befreiung und Besetzung durch die Rote Armee rückte die – in Umfang und Bedeutung überhöhte – „Zerstörung ganz Dresdens“ ein in die beginnende Ost-West-Konfrontation; Jahre später dann in die ideologisch aufgeladenen Konkurrenzkämpfe zwischen „West“ und „Ost“ im Kontext des Kalten Krieges.

Hinter dem Bild vom „Inferno Dresden“ (Buchtitel 1965), dem „Rote[n] Leuchten (2005) und dem Mythos einer „ verbrannt bis zur Unkenntlichkeit“ zerstörten (1994), „unschuldigen“ Kulturstadt verschwand über Jahrzehnte der präzise Blick auf das reale Leid vieler Ausgebombter und Flüchtlinge, die bedeutende Rolle Dresdens im Nationalsozialismus als Gauhauptstadt, Wirtschafts- und Rüstungszentrum sowie als Teil des NS-Unterdrückungssystems – ebenso wie der Blick auf neues, freilich ganz anders gelagertes Unrecht nach 1945.

Diese Zusammenhänge wurden zwischen den 1950er und 1980er Jahren durch die Geschichtspolitik der DDR weiter in den Hintergrund gerückt, denn man war ja als „antifaschistischer Staat“ Teil der realsozialistischen Sieger-Geschichte – „die Nazis“ und deren Untaten sowie die Weiterexistenz von Teilen der NS-Elite lagerte man nach Westen hin in die alte Bundesrepublik aus.

Einzelne Künstler, Schriftsteller und Bürger widersprachen zwar von Anbeginn an dieser allzu einfachen Lesart der für Dresden wahrhaft katastrophalen Geschichte am Kriegsende, drangen jedoch nicht durch und scheiterten an der machtgeschützten Penetranz der DDR-Geschichtspolitik und deren Deutungsmustern.


Die Friedliche Revolution 1989, „Wende“ und Deutsche Einheit aber machten den Weg frei für eine offenere Debatte über den 13. Februar, an der sich Stadtpolitik, Wissenschaft und Bürgergesellschaft beteiligten. Der Streit um den Stellenwert dieses Datums hielt dennoch an und eskalierte bisweilen.

Für einige Beobachter (Journalisten, Historiker oder auch Touristen) war erstaunlich, wir „haltbar“ die alten Geschichtserzählungen und Legenden um den „Untergang Dresdens“ im kollektiven Gedächtnis der Stadtgesellschaft waren und erst allmählich einer differenzierten Sicht des Geschehens Platz machten.

Dazu trugen bestimmte Forschungen bei, vor allem aber das Engagement einzelner Vereine der Bürgergesellschaft, die sich vorgenommen hatten, auf den 13. Februar sowie dessen Vor- und Nachgeschichte genauer zu schauen. Einer neuen Geschichtspolitik „von rechts“ traten große Teile der Stadtgesellschaft ebenso energisch entgegen wie dem Vergessen des Kriegsendes 1945. In der „AG 13. Februar“ fanden sich Bürger, Stadtverwaltung, Stadtpolitik und die lokale Geschichtsvereinskultur zusammen und entwickelten Gedenk- und Erinnerungsformen, die bis heute gepflegt werden – nicht ohne Kritik von „ganz Links“ oder schiere Abwehr von „ganz rechts“.

Allmählich aber wich die lange Jahre dominante Erzählung von der „Opferstadt“ Dresden einem vielschichtigerem Selbstbild von „Elbflorenz“ und dessen Rolle in der Kultur- und Machtpolitik des Nationalsozialismus. Auch die hartnäckig vorgetragene, allzu pauschale Verdächtigung „der Stadt“ als „Tätergesellschaft“ erfuhr Widerspruch und Kritik – diese Diskussionen aber dauern an.

Unser Verein Denk Mal Fort! ist seit Jahren einer der Akteure, die zum differenzierten und dezentralen Erinnern an den 13. Februar 1945 beitragen.